Kulturförderkreis Singen-Hegau e.V.

 

Laudationes 2022

Kulturpreis 2022
Laudatio für Cristina Marton, Laudator Stephan Glunk

Meine Damen und Herren,
ich habe die große Freude Ihnen heute Abend eine begnadete Pianistin vorzustellen, die an unserer Jugendmusikschule unterrichtet. Sie heißt Cristina Marton Argerich, erlauben Sie mir, dass ich Ihnen von ihr erzähle.
Cristina Marton Argerich ist in Rumänien geboren und im Alter von 16 Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. Sie spielt Klavier seit ihrem sechsten Lebensjahr und hat in Rumänien eine Schule mit Musikprofil besucht, wo sie sich intensiv auf das Klavierspielen konzentrieren konnte. Nach ihrem Umzug nach Deutschland legte sie an der Hochschule der Künste in Berlin mit 17 Jahren die Hochbegabtenprüfung mit Erfolg ab und studierte dann dort unter anderem in der Meisterklasse bei Professor Georg Sava. Sie beendete ihr Studium im Jahre 2002 mit dem Konzertexamen.
Schon während ihres Studiums trat Cristina Marton Argerich in vielen Wettbewerben und Konzerten auf, nicht nur als Solokünstlerin, sondern auch im Duo oder Trio oder in verschiedenen Ensembles. Sie erhielt Auszeichnungen bei internationalen Wettbewerben wie dem Clara-Schumann-Wettbewerb in Düsseldorf oder dem Mozart-Wettbewerb in Salzburg.
Bei einem Klavierwettbewerb in Argentinien lernte sie dann auch Martha Argerich kennen - und nun spitzen Sie, meine Damen und Herren, bestimmt die Ohren! - diese weltberühmte, auch heute mit über 80 Jahren noch auftretende Pianistin, und Sie werden sich nun fragen, ob Martha Argerich mit unserer heute hier anwesenden Cristina Marton Argerich etwas zu tun hat. Und die Antwort ist: ja, die Begegnung mit Martha Argerich war nicht nur künstlerisch richtungsweisend für Cristina Marton, sondern auch privat von Bedeutung, ehelichte sie doch im Jahre 2007 -  jawohl, Juan Manuel Argerich, den Neffen von Martha Argerich!
Seit 2009 unterrichtet Cristina Marton hier bei uns in Singen an der Jugendmusikschule und betreut gegenwärtig 40 Schülerinnen und Schüler. Seit 2014 hat sie zudem einen Lehrauftrag an der Musikhochschule in Augsburg, wo sie Bachelor- und Masterstudenten unterrichtet. In einer wunderbaren Kooperation führte Cristina Marton im vergangenen Oktober in einer Veranstaltung im Walburgissaal über 20 Pianistinnen und Pianisten aus Augsburg und Singen zusammen, die miteinander vierhändig spielten, eine schöne und fruchtbare Begegnung von Augsburger Studentinnen und Studenten mit Schülerinnen und Schülern unserer Jugendmusikschule.
Cristina Marton nimmt auch rege teil am musikalischen Leben in unserer Region. So konzertierte sie schon zusammen mit dem Collegium Musicum, so begleitet sie gerne die Popcorners von Melinda Liebermann, ihrer ehemaligen Kollegin an der Jugendmusikschule, und sie ist eine gefragte Begleiterin beim Musikabitur zum Beispiel am Hegau-Gymnasium oder am Friedrich-Wöhler-Gymnasium.
Wie viele ihrer Musikerkolleginnen und -kollegen hat auch Cristina Marton in der Coronazeit sehr gelitten. Konzerte und Auftritte waren über lange Zeit nicht möglich. Cristina Marton hat einen Weg gefunden, um trotzdem musikalisch tätig zu sein. Einmal im Monat lud sie unter dem Motto „open piano class“ zu einem virtuellen Treffen ein, wo die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorspielen und sich bei ihr wichtige Tipps holen konnten. So hat Cristina Marton auf der ganzen Welt, zum Beispiel auf Bali und in Kolumbien, dankbare Pianistinnen und Pianisten gefunden, die sich auch heute noch gerne mit ihr virtuell treffen.
Meine Damen und Herren,
der Kulturförderkreis Singen-Hegau e.V. verleiht heute Abend der Pianistin Cristina Marton einen Kulturpreis.


Kulturpreis 2022
Laudatio für Dr. Anne Overlack, Laudator Wolfgang Kramer

Dass sie mal auf der Höri landen würde, das stand nicht über ihrer Wiege geschrieben. Anne Overlack kommt aus guter Familie und ist am Niederrhein behütet aufgewachsen. Doch die vielzitierte rheinische Frohnatur ist sie nicht, obwohl ihr Lachen in der Tat ansteckend ist. Sie studiert Germanistik, Geschichte und Kulturanthropologie in Bonn und Paris, promoviert bei dem hochangesehenen Peter von Matt an der Universität Zürich über ein literaturgeschichtliches Thema. Eine solche Frau mit diesem gesellschaftlichen Hintergrund und mit dieser Ausbildung vermutet man im Feuilleton einer großen Zeitung oder an einem Lehrstuhl für Literatur einer renommierten Universität und nicht auf der von Gemüsebauern und Schwaben bevölkerten Höri.
Vor 30 Jahren hat es sie auf diese Höri verschlagen, dort wird sie zu einer Institution. Denn die Idylle im ach so schönen Bankholzen zwischen Fachwerk und Büllen genügt ihr nicht. Sie bringt sich ein. Wird Mitglied des Kreistages – natürlich für die „Grünen“ – und Rätin im Mooser Gemeinderat. Eine Mitgliedschaft von ihr würde auch weit größeren, bedeutenderen Gremien zur Ehre gereichen. Sie ist journalistisch tätig. Die vierfache Mutter und ständige Gastgeberin diverser Gastkinder ist von großer Begeisterungsfähigkeit geprägt, sie engagiert sich mit unglaublicher Energie und Gestaltungswillen, mit tollen Ideen und immerwährender Tatkraft und ist trotzdem sehr umgänglich.
Ihre Interessen- und Tätigkeitsfelder sind vielfältig und können hier nicht alle aufgeführt werden. Sie engagiert sich für den Erhalt des überkommenden Bauens auf der Höri – in diesem Bereich habe ich sie kennengelernt – und für Kunst und Kultur auf der kleinen Höri zwischen Moos bis Öhningen, doch, was sie tut, strahlt weit darüber hinaus.
In Hemmenhofen wird sie zur besten Kennerin der Tochter von Otto Dix, der Vielfachbegabung Nelly Dix, über die sie schon mehrfach geschrieben hat und über diese außergewöhnliche Frau arbeitet sie derzeit an einem weiteren Werk, das zu Nelly Dixens 100. Geburtstag in nächstem Jahr erscheinen wird. Bei dieser Gelegenheit sei auch erwähnt, dass sie als 2. Vorsitzende des Fördervereins Museum Haus Dix mit Werk und Familie des großen Malers Otto Dix vielfach verbunden ist.
Einem anderen Thema widmet sie sich in Wangen am Untersee. Dort ist sie Sprecherin des Freundeskreises Jacob Picard, eines Arbeitskreises des angesehenen Forums Allmende. Benannt ist der Freundeskreis nach dem Wangener Juden Jacob Picard, der die Tradition der Landjuden am Bodensee und weit darüber hinaus in seinem literarischen Werk überliefert hat. Im Wangener Rathaus gibt es seit 2007 eine Gedenkstätte, die an diesen Literaten und somit Dokumentar des jüdischen Lebens auf dem Land, Jacob Picard, erinnert. Diese Gedenkstätte ist der Nukleus des Freundeskreises Jacob Picard, um den sich ein reges Vortragsleben entwickelt hat, mit anspruchsvollen Referaten über die mit Gewalt ausgelöschte Kultur des jüdischen Lebens.
Mit dem Buch „In der Heimat eine Fremde“ hat Anne Overlack wohl ihr Hauptwerk geschaffen. Es handelt von Juden, die auf der Höri wohnten und von dort vertrieben wurden, und es beschreibt das Leben einer deutschen jüdischen Familie im 19. und 20. Jahrhundert über mehrere Generationen hinweg. Es ist die Geschichte der Familie Wolf aus Wangen und ihr Leben und Leiden im Deutschland des Kaiserreichs – für das Nathan Wolf, einer der Protagonisten des Buches, vier Jahre lang in den Krieg gezogen ist, vom Leben in der Weimarer Republik, in der dieser Dr. Nathan Wolf zum bekannten und beliebten Landarzt der Höri wurde, vom Leiden in der Nazizeit, wo eben dieser Arzt von Nazi-Schergen im Keller des Rathauses, nur wenige Meter von seinem Haus entfernt, furchtbar verprügelt und dann ins KZ Dachau verschleppt wurde, von seiner Exilzeit in der Schweiz und der Nachkriegszeit, in der Nathan Wolf zeitweise als Bürgermeister und Gemeinderat seines Heimatorts Wangen fungierte. Das Buch erzählt die Geschichte der vielen Angehörigen der Familie Wolf, darunter Nathans Tochter Dr. Hannelore verheiratete König, die sich im Zweiten Weltkrieg zusammen mit ihrem Bruder Dr. Gert Wolf als Magd und Knecht auf einem kleinen Hof bei Stuttgart verdingen musste, und die dann in bundesrepublikanischer Zeit als Staatsanwältin in eben diesem Stuttgart amtierte.
Anne Overlack hat dieses Buch unglaublich dicht, auf unzähligen Quellen basierend geschrieben. Mit Passagen aus Interviews hat sie im Buch viele Mitglieder der Familie Wolf wieder zum Sprechen gebracht und es mit über 150 Abbildungen überaus anschaulich gestaltet. Schon für dieses Buch allein hätte sie den Kulturpreis verdient. Denn sie hat mit diesem Buch nicht nur der bekannten Wangener Familie Wolf, sondern dem jüdischen Leben und der jüdischen Kultur auf der Höri ein Denkmal gesetzt.
Dr. Anne Overlack bekommt diesen Preis also nicht nur für dieses Buch, sondern dafür, dass sie sich mit Publikationen und Vorträgen und auf andere Weise für die Erforschung und Vermittlung des jüdischen Lebens auf dem Lande tatkräftig und erfolgreich engagiert.


Kulturpreis 2022
Laudatio als Interview für „ heimisch.ex“ mit Kai Azzaoui und Marcel Da Rin

Es wurde keine klassische Laudatio gehalten, sondern Marcel Da Rin führte mit Kai Azzaoui, einem der Initiatoren, ein Interview.

Der nachfolgende Text ist wortwörtlich aus der Bewerbung für einen Kulturpreis entnommen:
Heimisch – Eicheln & Perlen, kooperative Kunstausstellung in Gailingen
Ausgangspunkt der Ausstellung war die Auseinandersetzung mit dem Heimatbegriff, der für viele Menschen jüngerer Generationen mit ambivalenten Gefühlen verbunden ist. Sehnsucht, Erinnerung, Entfremdung und Veränderung sind einige Motive, auf denen der Fokus der ausgestellten Arbeiten lag. In verschiedenen Medien näherten sich die Künstler:innen ihrer alten/neuen/immernoch HEIMAT an, und hinterfragten dabei kritisch die eigene Wahrnehmung vor dem Hintergrund eines vielschichtigen, oft schwer zu beschreibenden kulturellen Kontextes.
Die Ausstellung fand vom 4.9.-25.9.2021 im Schlosskeller Gailingen statt, und wurde unter anderem mit einer Rede des Gailinger Bürgermeisters Dr. Thomas Auer eröffnet.


Kulturpreis 2022
Laudatio für Coronakreuz von Christoph Fischer und Daniel Forster, Laudatorin Ricarda Netzhammer

Guten Abend sehr geehrte Damen und Herren,
am heutigen Abend möchte ich Ihnen mit dieser Laudatio eine außergewöhnliche Idee vorstellen und damit verbunden auch die Preisträger.
Außergewöhnlich, da mit diesem Kunstwerk eine fast schon vergessene Tradition unserer Region, Süddeutschlands und des Alpenraums wiederbelebt wurde.
Es geht um das traditionelle Aufstellen von Feldkreuzen.
Feldkreuze sind oft ein Zeichen für Pilger und Wanderer, finden sich auf Prozessionswegen, werden zum Dank oder Gedenken an Unfälle, Katastrophen und Seuchen aufgestellt oder zu Ehren von Heiligen. Sie werden im Alpenraum gerne aus Holz oder Stein gefertigt. Die ältesten steinernen Sühnenkreuze stammen aus dem 13. Jahrhundert.
Diese Tradition der Feldkreuze gerät leider in Vergessenheit, aber es gibt auch Personen, die diese Tradition neu beleben möchten.
Christoph Fischer, Steinmetz und Daniel Forster, Steinbildhauer hatten die Idee ein Feldkreuz zu gestalten und im neu gestalteten Pfarrgarten in Singen-Friedingen aufzustellen. Joachim Schwarz, der Arbeitgeber der von Herrn Fischer und Herrn Forster, hat dieses Vorhaben gerne unterstützt.
Während die Beiden an der Planung und Skizzierung des Feldkreuzes waren, kam im März 2020 die Corona-Pandemie, und es entstand der Wunsch das Kreuz dieser Pandemie zu widmen.
Herr Fischer und Herr Forster recherchierten zum Namen Corona und fanden die ‚Heilige Corona‘, Schutzpatronin gegen Seuchen. Sie hat bereits im
2. Jahrhundert im Orient gelebt und ist jung hingerichtet worden. Die Legende besagt, dass der römische Stadthalter die junge Frau mit Seilen zwischen zwei herabgelassenen Palmen spannen ließ und durch das Zurückschnellen der Palmen sie in Stücke gerissen wurde.
Die Beiden erstellten einen Entwurf, der im Ortschaftsrat von Friedingen Zustimmung fand, ebenso der geplante Aufstellungsort im Friedinger Pfarrgarten.
Bereits im Februar/März 2021 wurde der Kreuzstamm und das Kreuz von Christoph Fischer in 77 Arbeitsstunden gefertigt.
Ende März 2021 begann schließlich Daniel Forster mit dem Kreuzsockel aus rotem Bundsandstein, auf dem die Heilige Corona zu sehen ist, wie sie zwischen den Palmen angebunden ist. Diese bis ins Detail gehende gelungene Darstellung der Figur zeigen das künstlerische Talent von Daniel Forster. Ende 2022 war der Kreuzsockel fertiggestellt.
Am 09. April 2022 wurde das Kreuz im Pfarrgarten in Friedingen aufgebaut.
Mit diesem Kulturpreis in Höhe von € 1000,00 möchte der Kulturförderkreis Singen-Hegau diese besondere Idee der Wahrung des Kulturgutes Feldkreuz, sowie die handwerklich künstlerische Leistung auszeichnen.
Ein Dank gilt auch Joachim Schwarz mit seiner Steinmetzfirma, der dieses Vorhaben unterstützt hat.
Schon jetzt kann ich nur empfehlen das wunderschöne Coronakreuz im Pfarrgarten in Friedingen anzusehen. Eine noch fehlende Erklärungstafel und die abschließende Gestaltung werden diesen besonderen Ort dann noch abrunden.
Ein Mahnmal zu errichten war die Idee, dann kam Corona und daraus wurde ein Coronakreuz, was Christoph Fischer und Daniel Forster bestens gelungen ist.
Herzlichen Glückwunsch

Kulturpreis 2022
Laudatio/Interview mit Devin Maier, Laudator Simon Götz

Liebe Gäste,
ich habe nun die Freude Ihnen einen jungen Menschen vorzustellen, der wohl eine Gattung bedient und damit an die Öffentlichkeit tritt, die den meisten jungen Leuten wohl allenfalls noch aus dem Deutschunterricht oder von Songtexten etwas sagt: Lyrik.
Über unsere Plakataktion wurde Devin Maier auf uns aufmerksam und hat sich mit seinem Debut-Lyrik-Band beworben.
Devin, erzähl uns doch vielleicht einmal, wie du auf die Idee kamst, einen ganzen Band mit Gedichten zusammenzustellen?
[…]
Der Titel deines Buches lautet „WETTER. Oder wenn ihr das lest, stehe ich noch im Regen“. Wieso hast du dein Buch so genannt?
[…]
Das ist interessant. Wenn man dein Buch liest, dann wird einem sehr schnell klar, dass du gerne mit literarischer Form spielst. Es sind nicht einfach „Gedichte“ im klassischen Sinne. Du arbeitest mit Texten, manche wirken eher wie Kurzgeschichten, einige wie Monologe eines Dramas. Andere Texte sind Textcollagen, die auch stark durch das Satzbild an Bedeutung gewinnen. War diese Irritation von dir beabsichtigt?
[…]
Nun bist du ja nicht nur schriftstellerisch aktiv. Man kennt dich vielleicht eher von der Bühne. Was hat dich für das Theater begeistert?
[…]
Du hast auf die Theater-AGs des Friedrich-Wöhler-Gymnasiums angesprochen. Aktuell arbeitest du als Regieassistent am Theater Konstanz. Wie kommt man dazu, von der „Schul-Bühne“, auf der man erstmal spielt, sich für die Regie, für die Konzeption von Stücken zu interessieren?
[…]
Seit dem Erscheinen deines Buches im vergangenen Frühjahr hast du ja eine ganze Menge neuer Projekte im Visier. An der Rielasinger Kulturnacht hast du gemeinsam mit befreundeten Kunst- und Musikschaffenden in der Gemeindebücherei eine Installation gestaltet. Was sind deine nächsten Pläne? Oder gibt es sogar schon neue Texte?
[…]
…und wenn ich es richtig weiß, bist du auch noch weiterhin ehrenamtlich in der Theaterpädagogik am Friedrich-Wöhler-Gymnasium engagiert?
[…]
Dann wünschen wir dir für die weiteren Projekte viel Erfolg und sind jetzt gespannt auf eine „Kostprobe“ mit deinen Texten!


Kulturpreis 2022                                                                                                                                                                                                                    Laudatio für das Musical "meilen.steine" des Friedrich-Wöhler-Gymnasiums, Singen                                                              Laudatorin Angelika Berner-Assfalg                                                             

Meilen.steine – unter diesem Motto feierte das Friedrich-Wöhler-Gymnasium dieses Jahr im Juli sein 50jähriges Schuljubiläum!

Bis 1972 gab es in Singen am Htwl, damals eine aufstrebende und schnell wachsende Stadt, nur das alt-ehrwürdige Hegau-Gymnasium, das aus allen Nähten platzte. Die große Zahl an Schülerinnen und Schülern war nur mit zusätzlichen Räumen und Schichtunterricht zu bewältigen. Ein zweites Gymnasium war überfällig und so wechselten 24 Kollegen/Innen, die mehrheitlich der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft angehörten, an das große, moderne Friedrich-Wöhler-Gymnsium mit seinem aufgeschlossenen, motivierten und jungen Kollegium. Eine von ihnen war Renate, die hier mit ihrer Enkelin Em gerade ein altes Jahrbuch vom Friwö anschaut.
Der Zeitpunkt der Gründung und die äußeren Umstände trugen maßgeblich zum Selbstverständnis des jungen Friwös bei. Eine Schule, gegründet in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, eine Schule, die sich die Themen Demokratie und Menschlichkeit auf die Fahne schreiben wird….
Die Lehrkräfte wollten die Chance nutzen, neue pädagogische Wege zu beschreiten und trafen sich in ihrer Freizeit, um ein Konzept für das Friwö zu entwickeln.
Wie sollte nun ein Jubiläumsabend aussehen, der diesen „Friwö-Geist“, wie er von Anfang an bezeichnet wurde, auf den Punkt brachte?
Die Vielfalt an AGs brachte es mit sich, dass die Verantwortlichen recht schnell auf die Idee eines Musik-Theater-Stückes kamen. Es sollte eine Zeitreise werden, bei der die Entstehung der Schule als Meilenstein gesetzt war, alle übrigen Themen aber von den Schüler/Innen erarbeitet werden sollten.
Bereits 2019 wurde eine AG gegründet, die das Textbuch entwickeln sollte. Mitten in der Themenfindung brach Corona aus und brachte die ganze Welt ins Stocken. Eine Zeitenwende begann, für alle, mit Lockdown, Masken, geschlossenen Schulen. Erstmals erfolgte online Unterricht, eine riesige Herausforderung in jeglicher Hinsicht für alle Beteiligten, ganz besonders schlimm natürlich für unsere Kinder.
Oft sind es Zufälle, die einen Stein ins Rollen bringen und in unserem Fall waren es die schrecklichen Vorkommnisse um die Ermordung von George Floyd im Mai 2020 in den Vereinigten Staaten und die Rede von Martin Luther King, die aus diesem Anlass ausgestrahlt wurde – „ Ich habe einen Traum…“
Das war die zündende Idee – nämlich: welche Träume träumen eigentlich unsere Schüler/Innen?!
So wurde die Schülerschaft aufgefordert, Träume und Visionen aufzuschreiben und an die Textbuch-AG weiter zu leiten. Daraus entwickelten sich 5 Schwerpunkte:
1. Entstehung der Schule, dieser Meilenstein war gesetzt
2. der Traum von Toleranz, Respekt, gegenseitigem Vertrauen
3. der Alptraum von Krieg, Verfolgung, Flucht und damit der Traum von Frieden
4. das große Thema Umwelt, Fridays for future
5. und zum Schluss -  Zukunftsvisionen für eine Schule von morgen
Damit waren die Meilensteine gelegt, die nun mit Leben, d.h. mit Texten gefüllt werden mussten, alles während Corona. Orchester-oder Chorproben waren untersagt. Eine kleine Gruppe um Nicola Fritsch, die die Theater-AG seit Jahren leitet, machte sich online an die Arbeit, der Jubiläumsabend Juli 2022 stand fest.
Eine der ersten Szenen, die schon 2020 entstand und fast unverändert in das finale Textbuch übernommen wurde, basiert auf dem Bild und einem Text, die von zwei Schülerinnen eingereicht wurden, die Krieg und Flucht selbst erlebt haben.
Unglaublich berührend und aufrüttelnd, mit klarer Sprache wurden die verschiedenen Träume in Szene gesetzt. Das hinterließ Betroffenheit bei den Zuschauern, da liefen Tränen der Ergriffenheit über manche Wangen. Nicht nur beim Thema Flucht, neben Afghanistan und Syrien inzwischen hochaktuell durch den schrecklichen Krieg in der Ukraine. Auch das Thema „ Mobbing an Schulen“ wurde so plastisch rübergebracht, dass einem der Atem stockte…. Wohlbemerkt stammen alle Texte aus Schülerhand! Es waren teilweise sehr emotionale Darstellungen, die einem echt unter die Haut gingen.
Der rote Faden, der sich durch das ganze Stück zog, waren die Gespräche zwischen Em, einer Schülerin der jetzigen Generation, mit ihrer Oma Renate. Em voller Zweifel, Wut, Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit, aber eben auch voller Träume und Visionen. Auf der anderen Seite ihre verständige Oma, seinerzeit 1972 engagierte Junglehrerin am Friwö. Sie versteht ihre Enkelin, hört ihr zu, fängt sie immer wieder auf, hat sie doch selbst damals all diese Zweifel und Umbrüche miterlebt. Aber sie hat die Hoffnung und Zuversicht nicht verloren und ermuntert Em immer wieder, an ihren Träumen fest zu halten.
„ Wenn einer alleine träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, dann ist das der Beginn. Der Beginn einer neuen Wirklichkeit“…. Wir haben es zu Beginn in der Ouvertüre gehört.
Erst im Schuljahr 21/ 22, konnte die Theater- AG wieder in Präsenz aktiv werden und das finale Textbuch schreiben. Die Musik, die Vertonung ganz vieler Texte stammt aus der Feder von Wolfgang Gentner, einem externen Musikpädagogen und Komponisten, der sich mit sehr viel Kreativität und Einfühlungsvermögen verschiedene musikalische Stilrichtungen ausdachte und so dazu beitrug, dass die Aufführung so kurzweilig und abwechslungsreich wurde. Natürlich war dies für Chor und Orchester in der Kürze der Zeit eine riesige Herausforderung, aber unter der bewährten Leitung von Monika Blaser-Eppler und ihren Kollegen musste es einfach zum Erfolg führen!
Außer dem gesprochenen Wort, dem Chorgesang, dem Orchester, den Soli und den Raps gab es auch Einlagen der Tanz-AG, der Zirkus-AG und den Theatätern (Theater-AG der Unterstufe). Rund 200 Schüler/Innen galt es zu koordinieren, zu trainieren und bei Laune zu halten.
Dazu Kostüme, Maske, Bühnenbild, Aufbau, Abbau, alles sollte reibungslos und flüssig ablaufen.
Erst zwei Wochen vor der Aufführung in der Stadthalle fuhren die Ensembles der Mittel-und Oberstufe für 4 Tage ins Allgäu – wo sie erstmalig gemeinsam probten – unter der Gesamtregie von Nicola Fritsch, die quasi als Motor des Jubiläumsprojekts aller Widrigkeiten zum Trotz nie am Erfolg der Musical Company zweifelte.
Ich bringe es auf den Punkt – es waren letztendlich zwei fulminante, total beeindruckende Darbietungen, grandios gespielt, mit hinreisender Musik vom Rap bis zum Geigensolo. Dokumentiert von einer engagierten Fotogruppe.
Dass der ganz normale Schulalltag die ganze Zeit nebenher lief mit Prüfungen und Abitur, sei nur am Rande erwähnt. Alles musste trotz und während der Ausnahmesituation durch Corona gestemmt werden. Friwö-Geist in Reinkultur!
„Es war eine Chance, um aus der Pandemie-Starre heraus zu wachsen“, meinte die Schulleiterin Sabine Beck im Gespräch, „es war einfach wohltuend, endlich wieder Gemeinschaft zu genießen und zu erleben“. Und es war genau diese Gemeinschaft, die der Musical Company die Kraft gab, dieses ambitionierte Projekt unter derart schwierigen Bedingungen so erfolgreich auf die Bühne zu bringen.
Dieser Theaterabend war sicherlich ein riesiger unvergesslicher Meilenstein im Leben aller Beteiligten aber auch in der 50jährigen Geschichte dieser Schule. Ein Kulturpreis in Höhe von Euro 2.500.- erschien uns mehr als angebracht!


Ehrenpreis 2022, ohne Dotierung, Skulptur von Antonio Zecca                                                                                                              Laudatio für Harald F. Müller, Laudator Siegmund Kopitzki

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Häusler,
liebe Frau Graf-Boos,
sehr geehrte Damen und Herren!
Drei Minuten. Mehr habe ich nicht, um Harald F. Müller zu laudieren. Ein Künstlerleben, das ein halbes Jahrhundert umfasst. Mehr als vier Dezenien davon lebt und arbeitete Harald F. Müller in Singen.
Als Kunstpädagoge am Friedrich Wöhler-Gymnasium setzte er Zeichen. Dass Schülerinnen und Schüler ein Verständnis für Kunst entwickeln, das gehört zum Lehrplan. Aber nicht zwangsläufig Exkursionen. Der Eintritt in den Alltag der Kunst. Zum Beispiel Kassel. Der Kunstpädagoge Müller besuchte mit seinen Schülerinnen und Schüler die weltgrößte Ausstellung zeitgenössischer Kunst.
Das war die eine Seite seiner pädagogischen Ambition.
Die andere: Er machte seine Schülerlinnen und Schüler zu Künstlern. Er lud sie  ein, ihre Bilder, ihre Skulpturen, ihre Interventionen zu präsentieren. Sowieso in der Schule. Aber auch in der außerschulischen Öffentlichkeit. Zum Beispiel im Rathaus Singen. Das war nicht ohne ein Risiko für alle. Sie setzten sich damit der Kritik aus. Aber: Auch das gehört zur Kunst. Ja zum Leben.
Dass Harald F. Müller mit dieser etwas anderen Art der freien Kunstpädagogik Aufsehen über die Stadtgrenzen hinaus erzielte, sei  nur am Rande erwähnt.  Denn darum ging es ihm nicht.
Der Kunstpädagoge Harald F. Müller, in Karlsuhe geboren, in Stuttgart absolvierte er seine Studien, war aber immer auch Künstler. Ein Blick auf die Liste der Ausstellungen und Projekte bestätigt diese Behauptung. Drei Minuten reichen nicht, um allein die Orte und Themen der Expositionen aufzuzählen.
Aber was macht der Künstler Harald F. Müller?
Er ist kein Maler. Auch wenn er dafür Talent hat. Auch wenn große Künstler wie Tizian, Paul Cézanne, Mark Rothko oder Henri Matisse zu den Lieblingen gehören, mit denen er sich immer wieder auseinandersetzt. Was ihre Kunst ausmacht, dass ist ihr Verhältnis zur Farbe. Zinnober- und Karmesinrot, Magenta, Rosa, Bordeaux, Blau, Grün, Orange, Violett, Weiß und Gold, Schwarz und noch mehr Farben waren auf ihrer Palette zuhause. Alle vier Großen der Kunstgeschichte werden daher „Maler der Farben“  genannt.
Harald F. Müller hat es auch mit der Farbe. Wer seinen im Gewerbegebiet gelegenen Arbeitsraum „stratozero“ betritt, betritt sein Reich der Farben. Dort hält er Gläser mit geschätzt 900 Pigmenten vor. Was er damit macht?
Der Künstler Harald F. Müller, der sich nicht als Maler versteht, „koloriert“ öffentliche und private Gebäude. In Stuttgart, Karlsruhe oder auch in Friedrichshafen. In der Schweiz, in Zürich, oder in Frankreich, in Paris. Sie werden in der folgenden Bilderschau einige Beispiele dieser künstlerischen Arbeit sehen, für die Harald F. Müller auch Preise erhielt.
Aber Sie müssen nicht reisen, um seine Farbinterventionen zu sehen. Steigen Sie am Bahnhof im Singener Industriegebiet aus und geben Sie sich dem roten und weißen Farbrausch hin. Diese Farbraumskulptur hat er in Zusammenarbeit mit Fabian Winkler entwickelt. Winkler war sein Schüler und bekleidet in den USA eine Professur für Kunst und Design.
Die in Neonpink auf blauschwarzem Grund gestaltete Wandskulptur SINGEN, entstand im Jahr 2000. Sie kennen sie alle. Der Ausgangspunkt war das Kunstprojekt „Hier Da Und Dort“ im Rahmen der Landesgartenschau. Harald F. Müller versteht sie als Hommage an die Stadt, die er liebt, mit der sich reibt. Weitere Beispiele seiner Farb/Kunst besitzt die Sparkasse Singen.
Mit Blick auf diese Farbkonzepte für die Innen- und Außenwelt muss noch ein  Namen genannt werden, der ihm wichtig ist: Le Corbusier.
Der Architekt, Designer und (eben) Künstler setzte Maßstäbe für die Architektur der Moderne. Le Corbusier entwickelte die erste Farbpalette bestehend aus 43 architekturbezogenen Farben. Sie ist auch für Harald F. Müller das Werkzeug für eine harmonische, d.h. stimmungsvolle Farbauswahl.
Ich komme langsam zum Ende. Gewähren Sie mir aber noch eine Minute drauf, vielleicht auch zwei… Das muss sein!
Harald F. Müller kollaboriert nicht nur mit Architekten, er arbeitet nicht nur mit hintergründigen Textzitaten, die er zu komplexen Schautafeln montiert und damit den Stadtraum – Beispiel SINGEN – in einen sinnlichen Erfahrungsraum verwandelt. Eine Straßenskulptur auf Höhe des Kunstmuseums ist übrigens noch in Arbeit.
Der Künstler, der heute mit einem „Ehrenpreis“  – immerhin – bedacht wird, „produziert“ auch eigenständige Bilder, so genannte „Cuts“. Das sind mitunter ins XXL-Format aufgeblasene, in das Hochglanzmedium des Cibachromprints veredelte Repros von gefundenen Fotografien, die der Künstler ausschnitthaft auf Aluträger aufgezogen präsentiert. Aluträger – auch eine Referenz an die Stadt…
Wenn Sie einmal im „Stratozero“ waren, dann wird Ihnen das monumentale Repro einer bildschönen Frau mit einer Maschinenpistole in ihren zarten Händen aufgefallen sein. Die Vorlage dazu lieferte das Cover einer populären französischen Krimiserie. In Müllers privatem Archiv, auch das gehört zu dieser Künstlerschaft, schlummern Tausende solcher und ähnlicher Funde aus Magazinen, Büchern und Zeitschriften.
Ebenfalls im „Stratozero“ können die allerneuesten Varianten der „Cuts“ besichtigt werden, die „Elektrocuts“: Auf einem hochauflösenden  Monitor, gesteuert durch ein Computerprogramm, werden ausgewählte Fotografien von Werken Müllers zerlegt und wieder neu zusammengesetzt. Eine Maschine ist hier am Werk, die hemmungslos Bilder produziert.  – So ist die Kunstwelt im Zeitalter der Digitalisierung.
Meine Damen und Herren, ein Motto von Harald F. Müller lautet: „Außer den Beteiligten gibt es kein Publikum“. Es ist ein Zitat von Joseph Koshut, dessen elektrifiziertes Buchstabenwerk das hiesige Rathaus seit der Landesgartenschau ziert. Werden Sie zu Beteiligten der Kunst. Auch der Müller’schen. Harald F. Müller versteht seinen Arbeitsraum straozero schon lange nicht mehr nur als Atelier, sondern als offenen Bereich des gesellschaftlichen Austausches, der Bildung und Forschung.
Das in Singen! Und das, denke ich, verdient Ihren Applaus.
Jetzt sind es doch drei Minuten mehr geworden…